Leseprobe:

Dies ist ein um Quellenangaben gekürzter Auszug (Plagiatoren müssen das Buch kaufen):
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Manchmal stößt man als neugieriger Intellektueller auf sehr unstimmige Merkwürdigkeiten, die sich auch nach längerem Nachdenken nicht sinnvoll erklären lassen. Z.B. die merkwürdigen Sprachgeschichten des Barock, in denen ein völlig anderes Geschichtsbild herrscht, als es nach herrschender Lehre eigentlich herrschen sollte. Da weiß man im 17. Jhd. immer noch rein gar nichts von der italienischen Renaissance. Und auch die geistigen Errungenschaften der griechisch-römischen Antike sind dort noch ebenso unbekannt wie ihre militärischen Erfolge. (Z. B. bei J.G. Schottelio, „Ausführliche Arbeit von der deutschen Haubtsprache“, 1663. Schottelio ist immerhin hochgeblideter Hofrath und Hofgerichts-Beisitzer zu Braunschweig.)
Oder das Buch des bekannten Erfinders der Sozialen Marktwirtschaft, Herrn Dr. Müller-Armack. Dieses 1933 erschienene Buch zeigt ihn als einen begeisterten Faschisten: „Die Bewegung ist radikal und doch von einer inneren Ausgewogenheit. (..) Sie ist revolutionär, aber (..) sie ist Revolution von rechts.“ „Sie bekämpft die liberale Demokratie“
Ich schrieb zusammen mit meinem Freund Ralph Davidson 1989 einen kleinen Aufsatz über das Buch, schickte es, zusammen mit Müller-Armacks Mitgliedsausweis der NASDAP, den ich inzwischen vom Document Center bekommen hatte, an die Wirtschaftsredaktion der ZEIT, deren Chefredakteur (Roger de Weck) ganz elektrisiert war und es zuerst gar nicht glauben konnte. Weil Müller-Armacks Soziale Marktwirtschaft doch gerade als Antwort auf den Faschismus gedacht war. Er lud mich auf einen Kaffee in die ZEIT ein, was für einen freien Autor eine große Ehre ist, beglückwünschte mich zu diesem Paradebeispiel investigativen Journalismus und versprach mir, sich zu melden, nachdem er das Buch selbst gelesen hätte.
Nach einigen Wochen sagte er uns, daß zwar alles stimmt, man den Artikel aber nicht bringen werde. Die Chefredaktion der ZEIT habe ihm gesagt, daß das alles bekannt und deshalb für den Leser uninteressant sei. Ehrlich gesagt war ich enttäuscht, denn tatsächlich tauchte in den vielen Artikeln, die es auch danach zu Müller-Armack und der Sozialen Marktwirtschaft gab, nie der die saubere Biographie vermutlich störende Hinweis auf, daß Müller-Armack gelernter Faschist und eindrucksvoller Wendehals war. Angeblich also zu bekannt, um erwähnt werden zu sollen. Schade.
Und man muß sich auch fragen, warum diese faschistische Vergangenheit bislang keinem Historiker aufgefallen ist. Warum nutzen sie die Quelle, die das Buch darstellt nicht, um die Geistes- und die Wirkungsgeschichte des 20. Jahrhunderts zu untersuchen? Weil sie lieber mit sauberen Gut/Böse-Schemata opperieren und ihre Erklärungsmuster nicht verändern wollen oder dürfen? Wäre das so, dann wäre die Geschichtswissenschaft allerdings keine Wissenschaft, sondern eine Dogmenlehre.
Und für eine Geschichts„wissenschaft“ als heimliche hochideologische Dogmenlehre scheinen sich die Hinweise massiv zu häufen:
Dazu sollte man sich einmal das traurige Musterbeispiel Günther Lüling ansehen: Der hatte 1970 seine Dissertation abgegeben, in der er nachwies, daß der frühe Islam aus der Geschichte des Christentums verstanden werden muß. Seine Disseration wurde zuerst als so gut betrachtet, daß sie gleichzeitig als Habilitation anerkannt werden sollte. Aber da er damit die herrschende Lehre des ganzen Fachgebietes der Islamwissenschaft auf den Kopf stellen würde, entschied man sich dann doch lieber, ihn von der Universität zu schmeißen, über ihn sozusagen den großen Bann zu verhängen, indem man ihm ein faktisches Berufsverbot erteilte. (Nachzulesen in: The Journal of Higher Education, 1996, ISSN 1075-7139) Überflüssig zu sagen, daß sich Lülings Sichtweise in der Forschung inzwischen durchgesetzt hat.
Man darf angesichts des traurigen Schicksals von Günther Lüling wohl erlauben, die „Freiheit von Lehre und Forschung“ zu belächeln und von einer „Diktatur der Professoriats“ zu sprechen.


Jetzt muß nur noch eine Frage beantwortet werden: Ist die Ignoranz der Historiker also ihrer (nicht-selbstverschuldeten, weil von Gott verliehenen,) Einfalt geschuldet oder steckt dahinter ein politisches Kalkül.? Vermutlich beides:
Man sucht sich aus politischem Kalkül fleißige Stubenhocker, die schlau genug sind Fußnoten aneinanderzureihen, aber gerade dumm genug, um nicht die größeren Zusammenhänge zu begreifen, und schon erhält man ein Gruppe von „Gelehrten“, die der Gesellschaft mit ihren ermüdenden Belanglosigkeiten so gründlich auf den Keks geht, daß niemand mehr die Lust und die Muße hat, sich mit den wirklich wichtigen Dingen der Geschichte zu beschäftigen.

Was ist denn wirklich wichtig.?
Wirklich wichtig ist die Frage, wem denn das Land gehörte auf dem wir heute leben, bevor es seine heutigen Besitzer in Besitz nahmen. Und da stellt man nach einigen wenigen Besuchen in den entsprechenden Staatsarchiven schnell fest, daß es offensichtlich im 18., 19. und 20. Jhd. erhebliche Eigentumsveränderungen gegeben hat. Noch im 18. Jhd scheinen merkwürdigerweise christliche Stiftungen (!) überall in Deutschland die größten Immobilien-, Kapital-, und Produktivermögensbesitzer gewesen zu sein. Vor allem die Heiligen-Geist-Hospitäler, und die jeweiligen Johannis-Klöster verfügten noch im 18. Jhd. über gewaltig große Immobilienbesitzungen und Kapitalerträge aus Schuldverschreibungen, Brauhäusern, Zöllen und Bergwerken.
Was natürlich sehr verwunderlich ist, da nach der herrschenden Lehre der Historiker im 16. Jhd. eine sog. Säkularisation der Kirchengüter stattgefunden hat. Im Norden Deutschlands hat man ja angeblich, und so steht es in jedem Schulbuch, aufgrund verschiedener Mißstände gegen den Katholizismus rebelliert, die Klöster und Hospitaler enteignet und verstaatlicht und auf diese Weise unter Anleitung von Luther und Bugenhagen spätestens 1529 Nägel mit Köpfen gemacht, indem man sich staatlicherseits den gesamten kirchlichen Besitz unter den Nagel riß.
Dies scheint aber in der historischen Realität tatsächlich gar nicht der Fall gewesen zu sein. Liest man nämlich in den Monographien zu den einzelnen Klöstern und Hospitälern, (z.B. das Buch von Hatje zum Hamburger Heiligen Geist Hospital und das Buch von Schulz zum Lübecker Heiligen Geist Hospital) dann ergibt sich aus dieser Leküre völlig unstrittig, daß die Enteignung insgesamt eher ein schleichender Prozeß gewesen ist, der sich aber mit Sicherheit nicht (!) im 16. Jhd. zur Zeit der Reformation abspielte.
Interessant ist, daß der Besitz des Heiligen Geist Hospitals zu Lübeck (den diese Stiftung in Mecklenburg und Pommern hat) auf völlig mysteriöse Weise verschwindet. (!) Und man wird vermuten dürfen, daß der Besitz des Hauses Hohenzollern, also der Fürsten und Könige von Preußen, auf ebenso mysteriöse Weise gleichzeitig anwächst. Der Aufstieg (!) der Hohenzollern, aber auch der anderen deutschen Hochadelshäuser findet jedenfalls unstrittig in der Zeit statt, in der sich der Abstieg (!) der christlichen Klöster und Hospitäler vollzieht. (Noch 1740 wird sogar das stolze Österreich-Ungarn als Staat „ohne innere Kraft und äußeres Ansehen“ bezeichnet.) (dtv Lexikon der Weltgeschichte, S. 264)
Völlig unstrittig ist ebenfalls, daß alle Schlößer und Parks der großen Adelsgeschlechter in Berlin, München und Wien erst ab 1700 gebaut worden sind. Warum kam der Hochadel nicht schon eher auf die Idee prachtvolle Schlößer und großzügige Parks anzulegen?
Unstrittig ist auch, daß niemand vor etwa 1700 über den Protstantismus diskutiert oder geschrieben hat. Sowohl die Wirkungsgeschichte des Protestantismus als auch Luthers Wirkungsgeschichte beginnt erstaunlicherweise erst mit dem Buch des Staatsbeamten von Seckendorf, das dieser kurz vor 1700 veröffentlicht hat. Und in dem erstmals (!) eigentlich fast 200 Jahre zu spät Luthers große Verdienste gelobt werden. (Ernst Schulin, Arbeit an der Geschichte, Campus Verlag, 1997) Selbst Seckendorfs Zeitgenossen scheint Luther noch unbekannt zu sein. Moses Mendelsohn etwa erwähnt ihn in seiner bekannten Bibelübersetzung mit keinem Wort. Ebensowenig scheint ihn Gottfried Arnold zu kennen. („Unpartheyische Kirchen- und Ketzerhistorie“, 1699)

Hat es demnach die Reformation (und die Säkularisation des 16. Jhds.) also nie gegeben? Ist das ganze eine Fiktion von hochschullehrenden Staats-Beamten im Dienst einer neuen Klasse, dem Hochadel.?
Wir gehen ins Hamburger Staatsarchiv und sehen uns das genauer an.
(...) (Quellennachweis bitte im Buch nachlesen)
(...) Da steht es also schwarz auf weiß, jeder kann heute hingehen und es nachlesen: Das was angeblich 1529 unter Bugenhagen unter dem Beifall der Bevölkerung veranstaltet worden sein soll, findet also erst im 19. Jahrhundert statt. Und gleichzeitig schweigen sich alle namhaften Experten und alle Geschichtsbücher über diese Enteignung aus. Und schwadronieren lieber von der unruhigen Zeit des Vormärz, in der die Bevölkerung zwar auf die Barrikaden geht; aber angeblich soll es dabei nur um eine Verfassung gegangen sein.
Man darf dabei nicht vergessen, daß die Klöster und Hospitäler als Stiftungen damals das leisteten, was heute der Staat leistet: Armenfürsorge, Bildung, Wissenschaft, Kunst und Kultur, aber auch Strafvollzug.
Ich schrieb also anfang Februar 2009 sicherheitshalber gleich vier Briefe an die ZEIT (und zwar an den Chefredakteur, an den Herausgeber und zwei Redaktionsleiter), verriet ihnen, daß die Säkularisation bei den sog. Protestanten gar nicht im 16. Jhd. sondern im 19. Jhd. stattgefunden hat. Und daß man da offensichtlich nicht etwa eine katholische Kirche enteignet hat, sondern völlig autonome Stiftungen. Und bot ihnen an, diese meine neuen Erkenntnisse veröffentlichen zu dürfen.
Niemand der vier antwortete mir. Ich schrieb also zwei Monate später nochmal an den Herausgeber und bat um eine Antwort, ob ich oder das Thema zu uninteressant sei, um mit einer Antwort gewürdigt zu werden. Daraufhin rief mich seine Sekretärin an, und sagte, sie hätten den Brief an Robert Leicht weitergeleitet, den Experten in der ZEIT für Kirche und Religion und er werde mir bestimmt bald antworten. Bis heute warte ich auf eine Antwort.
(Ich vermute allerdings die Experten müssen sich da erstmal schlau machen.)

P.S.
Dieser Text wurde im April 2009 geschickt an: Brand eins, Frankfurter Rundschau, Rheinischer Merkur, Süddeutsche Zeitung, tageszeitung, Tagesspiegel, Weser Kurier, Journalist, Financial Times. Nur der Journalist und Brand eins und die taz hatten bis Ende Juli 2009 überhaupt geantwortet und eine Veröffentlichung aus „thematischen“ Gründen abgelehnt. (Spiegel und Focus hatten übrigens schon im Dezember 2008 kein Interesse an dem Thema bekundet.

Nachtrag vom Juli 2010
Bei der ZEIT fragte ich noch zweimal nach; - zum Schluß sogar per Einschreiben. Daraufhin rührte sich der „Experte“ endlich und schrieb mir herablassend, man könne nicht auf alle Leser-Imaginationen antworten. Außerdem sei meine „Entdeckung“, daß die Säkularisation nicht im 16. Jhd. sondern erst im 19. Jhd. stattgefunden habe, natürlich allen bekannt. Wörtlich: „Das steht so in allen Lexika.“ Was natürlich dreist gelogen ist. Kein Lexikon behauptet, daß Luthers und Bugenhagens Reformation und Säkularisation im 19. Jhd. stattgefunden hat.